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Weinanbau am Schwanberg

Die Entstehung der Rödelseer Weinlagen


Warum schmeckt der Rödelseer Wein eigentlich so wie er schmeckt? Welche Rolle spielt dabei die Beschaffenheit des Schwanbergs, um den herum er wächst? Und was kann man an dieser 474 Meter hohen Erhebung im Vorsteigerwald-Land lernen? Fragen, zu denen Karl Weltner und Walter Fuhrmann spannende Geschichten erzählen können. Die beiden Rödelseer kennen nicht nur die Weinlagen rund um den Schwanberg wie ihre Westentasche – sie wissen auch, was darunter ist.


Wer heute an einem der Aussichtspunkte wie dem terroir f sitzt und über satte Rebenhaine weit ins Land schaut, kann es sich kaum vorstellen: Vor rund 200 Millionen Jahren war hier einmal alles recht flach, und vor allem nass – denn wo heute die Weine wachsen, war einmal ein Meer. „Der Rheingraben brach ein und nördöstlich wurden durch dieses Geschehen als Ausgleich innerhalb der Erdschicht die Mittelgebirge Odenwald, Spessart und Steigerwald aus der Tiefe angehoben. Das ursprüngliche Meer Tetis gab es nicht mehr. Bei dieser Auffaltung schoben sich mehrere Gesteinsschichten unterschiedlich nach oben und bildeten die heute sichtbare Landschaft aus der Triaszeit“, erklärt Karl Weltner. Der 77-jährige wuchs in Rödelsee im gleichnamigen Weingut auf und interessiert sich zeitlebens nicht nur für den Wein, sondern auch die Geschichte seiner Heimatregion.



Weltner zeigt eine geologische Karte, die von Hörstein bei Alzenau über den Spessart und die Gegend um Würzburg bis an den Schwanberg reicht. Darauf zu sehen: das eindrucksvolle fränkische Schichtstufenland, mit der aus mehreren kleineren Abstufungen bestehenden Keuper-Schicht des Schwanbergs am obersten rechten Rand. Darunter: Buntsandstein und Muschelkalk, die zusammen mit dem Keuper ein Dreigestirn bilden. Dieses in 51 Millionen Jahren entstandene Bild wurde so nur im Germanischen Becken ausgebildet und wird deshalb landläufig als „Trias“ bezeichnet. Keuper ist ein Sediment aus Ton und Lehm zusammen mit Verwitterungsgestein, darunter auch Gipselemente. Der Begriff „Keuper“ ist an das Wort „Kipper“ angelehnt und bezeichnet weiche, bröckelig zerfallende Schichten.


Weinreben, wo einst ein Meer war


Walter Fuhrmann bringt als Gästeführer „Weinerlebnis Franken“ Interessierten gerne seine Heimat und den Wein näher. Heute hat er ein paar Steine mitgebracht – keine wahllose Sammlung, sondern typische Steine, wie man sie eben am Schwanberg findet, wenn man einen geschulten Blick dafür hat. Einmal ein Blasensandstein, wie man ihn am Gipfelplateau findet, daneben ein Schilfsandstein von halber Hanghöhe. Daneben legt er Beispiele von weicheren, gipsführenden Tonsteinen der Estherienschichten, die nach dem darin enthaltenen Schalenkrebs „Estheria“ benannt sind. „Das Wasser war weggeflossen oder versickert, die urzeitlichen Meerestiere blieben aber vorwiegend zurück und sind heute noch als Fossilien hier zu finden“, sagt Fuhrmann.


Da die Gesteinsarten eine unterschiedliche Verwitterungsresistenz besitzen, wurde die Geländeform so ausgebildet, wie sie heute zu sehen ist. Das Meerwasser dampfte aus, es entstanden Gips- und Steinsalzablagerungen. Am Schwanberg wuchs auf engem Raum unterhalb der Schilfsandstein-Schicht ein einzigartiger geologischer Aufschluss mit elf Schichten auf rund zwei Metern Höhe.


Der 75-jährige Fuhrmann schätzt die tonigen und gipsführenden, nach einer Muschelart so genannten „Myophorien“-Schichten auch als Ökowinzer: Weiche, nährstoffreiche und wasserundurchlässige Böden auf verwitterungsresistentem Schilfsandstein, die ideal für den Weinanbau sind – zumindest aus der Sicht der Rödelseer Winzer, aber auch der Freunde ihres Weines. „Diese mineralischen, schweren Böden bringen gehaltvolle Weine hervor. Man schmeckt den Boden heraus“, sind die beiden überzeugt. Hoher Mineralgehalt und eine fein-würzige Note zeichnen die Weine aus.


Knapp die Hälfte der Rebflächen werden vom Silvaner besiedelt. „Silvaner ist ein Universalwein, der nicht stark aromasiert, sondern etwas neutraler schmeckt“, meint Walter Fuhrmann. Beim Anbau habe dieser einen entscheidenden Vorteil: Die Pflanze hält mehr Trockenheit aus reagiert sehr flexibel im Wuchs auf unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten – was sich dann wiederum „herausschmecken“ lässt.


Weine der Großlage

Rödelseer Schlossberg

Auf den Tafeln der Rebsortengalerie, die im Innenhof und um das Schloss Crailsheim im Dorf zu finden ist, werden die rund 20 Gewächse und ihre Charaktereigenschaften erklärt, die auf Rödelseer Gemarkung gedeihen. Winzerinnen und Winzer wissen freilich, dass nicht jede Rebsorte an jeder Stelle gleich gut wächst. Dafür ist die Gesamtfläche aber vielfältig und groß zugleich: Die bis vor wenigen Jahren noch als „Großlage Rödelseer Schlossberg“ bezeichnete Fläche mit dem Schwanberg als Mittelpunkt und dem Schloss mit Wurzeln im 13. Jahrhundert als Namensgeber ist rund 250 Hektar groß. Kleinere und größere Betriebe aus Rödelsee bewirtschaften hier zirka 100 Hektar Rebfläche, etwa ein Drittel davon in ökologischem Anbau.


Erste Hinweise auf Weinbau in dem bereits in vor- und frühgeschichtlicher Zeit und während der christlichen Kolonisation im 8. Jahrhundert besiedelten Gebiet stammen aus dem Jahr 1040: In einer Urkunde bezeugt Kaiser Heinrich III. die Schenkung von Weinbergen im Dorf „Rotiense“ an das Kloster Kitzingen. Schon früh wussten die Rödelseer also, dass der Berg die Reben gut vor Wind und Wetter schützt. Vor allem im Herbst reifen die Trauben in warmer Nachmittags- und Abendsonne hervorragend heran.


„Schwanleite“ und „Küchenmeister“ erleben

Karl Weltner und Walter Fuhrmann kennen noch die alten Flurnamen der Gewanne, die sich gleich im Anschluss an die letzten Häuserreihen des Dorfes Rödelsee nach Osten bis an den Waldrand des Schwanbergs und bis zur Gemarkungsgrenze Iphofen auf einer Höhe von 250 bis 360 Meter ausbreiten. „Sonnenberg“, „Katzenstirn“, „Am Buck“ oder „Kreuzberg“, „Hopfentanz“ und „Kernersberg“ machen neugierig auf deren Herkunft – das Wissen um diese Namen schwindet aber immer mehr. Im Zuge der Flurbereinigung der 1960er-Jahre fand eine Lagennamenbereinigung und Neuordnung statt. Seither spricht man von der „Rödelseer Schwanleite“ und dem „Rödelseer Küchenmeister“.


Die Schwanleite wird in besagter früher Urkunde erstmals ebenfalls erwähnt, womit sie zu den ältesten Weinlagen Frankens zählt. Die geografische Ausrichtung der heutigen Lage läuft von Süd bis West, angebaut werden vorwiegend Müller-Thurgau, Bacchus und Scheurebe, die ausdrucksstarke Schoppenweine ergeben.


Der Küchenmeister geht auf die „Küchenmeister von Nordenberg“ zurück, ein in Mittelfranken beheimatetes Adelsgeschlecht, das auch in Rödelsee Weinberge besaß. „Der Wein vom Küchenmeister“ muss es wohl damals im Volksmund einst geheißen haben, wenn von den Reben dieser adeligen Provenienz die Rede war – irgendwann wurde auch die gesamte Lage so genannt, die seit Jahrhunderten Spitzenweine, vor allem Silvaner, hervorbringt.


Die Küchenmeisterhütte am Fuße der gleichnamigen Lage ist seit rund einem viertel Jahrhundert eine beliebte Location zum Feiern – auch von Hochzeiten, wie sie gerne hier in malerischer Kulisse abgehalten werden, aber auch von Vereinsfesten, Jubiläen und dergleichen. Sie liegt direkt am terroir-f-Spazierweg, mit rund 4,5 Kilometern Wegstrecke eine der leichteren Wanderrouten rund um den Schwanberg. Man passiert sie aber auch auf dem „Großen Spazierweg“, der – wie der Name vermuten lässt – gut zwei Kilometer länger ist, sich dafür aber hervorragend

eignet, die Weinlagen rund um den Schwanberg zu erkunden.


Text: Timo Lechner, Fotos: studio zudem

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